Online-Auktionshaus unter Beschuss: Ebay-Mitglieder laufen Sturm gegen Kundenservice
Automatische oder gar keine Antworten, wochenlange Verzögerungen, Textbausteine ohne wirkliche Hilfe: Der Kundenservice von Ebay zieht den Zorn vieler Mitglieder auf sich. Es geht nicht nur um die neuen Zahlungsregeln.
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Stefan Piasecki gehörte zu den ersten Ebay-Mitgliedern in Deutschland: Schon seit 1999 ist er auf der Plattform als KĂ€ufer und VerkĂ€ufer aktiv und hat inzwischen fast 1890 Bewertungen â allesamt positiv. Doch in dieser Zeit hat sich das Auktionsportal stark gewandelt. Immer mehr gewerbliche VerkĂ€ufer kamen hinzu, und Ebay hat seinen Fokus deutlich auf sie und die KĂ€ufer gelegt. So durften anfangs auch VerkĂ€ufer KĂ€ufer negativ bewerten. Schon damals gingen viele Mitglieder auf die Barrikaden, ebenso wie bei der neuen Umstellung: KĂ€ufer zahlen kĂŒnftig nicht mehr direkt an die Anbieter, sondern Ebay ĂŒbernimmt die Zahlungsabwicklung. Viele Mitglieder mĂŒssen ihre Transaktionen schon auf diesem Weg abwickeln, und das scheint oft nicht zu klappen.
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Das gröĂte Problem offenbar: Der Kundenservice bei Ebay â bei 16 Millionen aktiven Mitgliedern in Deutschland ist dieser eigentlich sehr wichtig. Denn bei den Auktionen geht immer wieder mal etwas schief â KĂ€ufer beschweren sich ĂŒber die Waren, VerkĂ€ufer sollen nachweisen, dass sie Artikel weggeschickt haben, sie erhalten ihr Geld nicht oder Konten werden gesperrt. Aber wenn etwas nicht klappt, ist der Ebay-Kundenservice offenbar sehr oft ĂŒberfordert, reagiert verzögert oder kann nicht weiterhelfen.
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Positive Bewertung, dann behauptet, der Artikel sei nie angekommen
Stefan Piasecki kann davon ein Lied singen. Er verkaufte im Dezember ein Mobiltelefon nach Sri Lanka, das Nokia 5800 Xpress Music auf dem Portal. Der KĂ€ufer zahlte die 42,50 Euro per Paypal, Piasecki verschickte das GerĂ€t und bekam kurz danach vom KĂ€ufer eine positive Bewertung: âGood Sellerâ, heiĂt es darin. Doch kurz danach eröffnete der Mann einen Fall beim Ebay-eigenen Bezahlsystem auf PayPal. Er behauptete, dass er das Handy nicht erhalten habe und forderte sein Geld zurĂŒck. Piasecki bekam eine Mail vom Kundenservice mit einem entsprechenden Hinweis, wenige Stunden spĂ€ter folgte eine erneute Mail. Darin stand, dass der Fall zu Gunsten des KĂ€ufers entscheiden sei und dieser inklusive Versandkosten 47,50 Euro erstattet bekomme. Piasecki solle das Geld umgehend zahlen.
Doch das tut er nicht, er wendet sich an den Ebay-Kundenservice mit der Bitte, den Fall zu ĂŒberprĂŒfen. Denn Paisecki hat das Handy sogar versichert verschickt â die Nummer zur Sendungsverfolgung ist bei Ebay sogar hinterlegt. Damit kann er nachweisen, dass das Paket aufgegeben wurde, auch die EmpfĂ€ngeradresse in Sri Lanka ist vermerkt. Dem KĂ€ufer schreibt er: âLieber KĂ€ufer, Sie wollten das Telefon ohne Versandnachweis haben. Als ob ich den Ărger gerochen hĂ€tte, habe ich darauf bestanden â ich habe den Scan hier und ihn auch bei Ebay hinterlegt. Diesen sieht man auch auf der Ebay-Artikelseite.â Das gleiche schreibt der VerkĂ€ufer an den Ebay-Kundenservice. Es passiert nichts. Nach mehreren Mails bekommt er eine Antwort einer Servicemitarbeiterin, die ihn bittet, zu dem Fall Stellung zu nehmen. Inzwischen wird Piaseckis Ebay-Konto wegen der ausstehenden Summe gesperrt, er kann keine Artikel mehr verkaufen.
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Kundenservice reagiert nicht
Der Kundenservice reagiert nicht auf Anfragen, stattdessen bekommt der Mann alle zwei bis drei Tage Zahlungsaufforderungen von Ebay â auf englisch und ohne Möglichkeit, darauf zu antworten, nicht einmal per E-Mail. Generell kann man den Kundenservice pe E-Mail errreichen oder ihn anrufen. Doch das kostet 14 Cent pro Minute, und auf der Ebay-Seite heiĂt es direktâ Leider kommt es zurzeit zu Wartezeiten. Gern können Sie uns auch eine E-Mail schreiben.â Erneut wendet sich Piasecki schrliftlichan den Kundenservice und erklĂ€rt: âIch bekomme allerdings nach wie vor englische Mails, nach denen ich zur Begleichung einer Dispute / Claim-Paypal-Rechnung aufgefordert werde. Diese ist anscheinend wirklich nicht bezahlt und ich werde sie auch nicht bezahlen, da Sie bislang meinen Fall gar nicht ĂŒberprĂŒft haben. Von daher kann ich sie auch nicht als legitime Rechnung anerkennen.â
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Piasecki Ă€rgert sich weiter. Zu FOCUS Online sagt er: âIch bin mit dem Problem nicht einmal alleine. Es gibt viel eklatantere FĂ€lle als meinen. Zudem: Es gibt keine Möglichkeit, die eigenen Beweise an Ebay oder Paypal zu schicken. Die entscheiden â ja, auf welcher Basis eigentlich? Faktisch können Sie alles kaufen und mĂŒssen es schlicht nicht bezahlen, da Sie ja das Geld zurĂŒckfordern können, wenn Sie einen Fall eröffnen. Der Rechtsweg ist bei auslĂ€ndischen KĂ€ufern sinnlos.â Er versteht auch nicht, dass die Reputation des KĂ€ufers keine Rolle spielt: Dieser hat seinen Wohnort laut Ebay-Mitgliederseite von London zu Sri Lanka und dann zu Indonesien verlagert, ist aber jetzt nicht mehr bei Ebay angemeldet. In seinem Bewertungsprofil finden sich noch andere negative Stimmen â keine negativen Bewertungen, weil die VerkĂ€ufer fĂŒr KĂ€ufer nicht mehr abgeben können: âVorsicht Achtung passen Sie auf! Handy weg, Geld auch weg!â, schreibt ein Mitglied.
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Ebay will sich âmit Hochdruckâ kĂŒmmern
Auf Nachfrage von FOCUS Online prĂŒfte Ebay Piaseckis Fall. Das Problem laut Pressestelle: Der VerkĂ€ufer kann den Versand nicht nachweisen. âMan kann das Paket nicht nachverfolgen, da könnte ja irgendetwas drin gewesen seinâ, so die Pressestelle gegenĂŒber FOCUS Online. In Deutschland hĂ€tte der VerkĂ€ufer einen RĂŒckschein erhalten, bei Versand im Ausland sei das nicht erfolgt, so die Pressestelle. Doch einen RĂŒckschein bekommt man auch in Deutschland nur bei einem Einschreiben. Die positive Bewertung spiele keine Rolle: âWenn der KĂ€ufer einen Fall eröffnet, sticht das die Bewertungâ, so die Pressestelle. Nach deren Angaben habe der Kundenservice dem VerkĂ€ufer erklĂ€rt, dass der Versandnachweis nicht ausreichend sei. Piasecki bestreitet das. Er hat FOCUS Online den Versandnachweis vorgelegt, dort sind mit Poststempel die Nachverfolgungsnummer des Pakets und der EmpfĂ€nger in Sri Lanka zu erkennen. Ebay verspricht nun, sich erneut âmit Hochdruckâ um den Fall zu kĂŒmmern.
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Der Konzern verspricht auf seinen Serviceseiten, dass ein Mitglied mit einem Problem innerhalb von drei Tagen eine Antwort eines Servicemitarbeiters bekomme. Die erfolgt zwar tatsĂ€chlich meistens, doch viele KĂ€ufer und VerkĂ€ufer klagen, dass die Antwort nicht zur Frage passt â oder nur mit vorgefertigten Textbausteinen gearbeitet werde.
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Mitglieder klagen ĂŒber fehlende Hilfe
Ein Blick in die Foren bei Ebay zeigt das Problem: Dutzende Mitglieder klagen dort allein in den letzten Tagen ĂŒber mangelnde Hilfestellung. âMan bekommt nicht die richtige Antwort auf seine Frage / Problem. Nur Standardantwortenâ, heiĂt es zum Beispiel, oder: âNull Hilfe von Ebay Kundenservice!â Manche Mitglieder nehmen anderen die Hoffnung auf Hilfe: âDen Kundenservice bei Ebay kannst Du vergessen.â
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Auch bei FOCUS Online melden sich regelmĂ€Ăig User, die Probleme mit dem Auktionshaus haben. âWirkliche Kommunikation mit dem Unternehmen ist fĂŒr kleine VerkĂ€ufer und Otto-Normalverbraucher unmöglich gewordenâ; schreibt ein Leser, ein anderer fĂŒhlt sich an die âServicestelle der Telekomâ erinnert, âals sie noch Bundespost hieĂ (...). Knappe, falsche, unzutreffende Antworten, keine Lösung des Problems wochen- und monatelang, kein echtes BemĂŒhen, das Problem zu verstehen und zu lösen erkennbar.â
Beim Online-Shopping-Konkurrenten Amazon scheint das besser zu klappen: Einige FOCUS-Online-Leser loben explizit, wie Amazon mit Kundenanliegen umgeht. Auch bei diesem Anbieter kann es Probleme geben, weil auch Privatpersonen und HÀndler die Plattform zum Verkauf nutzen. Antworten auf Fragen per Mail erfolgen schneller als bei Ebay und wer lieber telefonieren möchte, wird von den Amazon-Kundenservice-Mitarbeitern angerufen.
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http://www.focus.de/digital/inâŠenservice_aid_745289.html
Focus/30.4.2012