Fiskus nimmt Tausende Online-HĂ€ndler ins Visier
Viele private Ebay- und Amazon-Nutzer hinterziehen Steuern, ohne es zu wissen. Der BFH könnte dem Finanzamt den Weg zu SammelauskĂŒnften ebnen.
VerkÀufer sollten sich auf Einiges gefasst machen.
Den Dachboden ausgemistet, eine BĂŒcher- oder Schallplattensammlung vertickt oder die Kleidung der Kinder verhökert. Online-Handel ist beliebt. Doch das Zubrot ist in vielen FĂ€llen nur vermeintlich steuerfrei. Viele HĂ€ndler mĂŒssten ihre Gewinne dem Finanzamt als gewerbliche NebeneinkĂŒnfte melden. Die meisten ahnen das wohl nicht mal.
Vor Strafe schĂŒtzt Nichtwissen bekanntlich nicht. Daher könnte ein demnĂ€chst anlaufendes Revisionsverfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) vielen Online-VerkĂ€ufern noch Ărger bereiten.
Die obersten Finanzrichter werden darĂŒber entscheiden, ob FinanzĂ€mter per Sammelauskunftsersuchen an Online-Handelsplattformen auf einen Schlag Daten aller HĂ€ndler anfordern dĂŒrfen.
Einkommenssteuer nachfordern
FĂŒr bis zu fĂŒnf Jahre kann das Finanzamt die Einkommensteuer nachfordern â und wenn es ein Steuerstrafverfahren einleitet, sogar fĂŒr bis zu zehn Jahre zurĂŒck. Wer dem Finanzamt mit bislang nicht gemeldeten UmsĂ€tzen ins Netz geht, dem könnte eine Einkommensteuernachforderung ins Haus stehen, die sich gewaschen hat.
Allein bei Amazon und Ebay dĂŒrfte ein solches Urteil einige Zigtausend HĂ€ndler betreffen. Zwar schob in erster Instanz das Finanzgericht Niedersachsen dem Ansinnen des Finanzamts einen Riegel vor (Az.: 5 K 397/10).
Das hatte von Amazon per Sammelauskunftsersuchen die Daten aller HĂ€ndler eingefordert, die ĂŒber die Handelsplattform Marketplace Waren im Wert von mehr als 17.500 Euro verkauft hatten.
KĂ€ufe und Abrechnungen auflisten
Amazon sollte alle KĂ€ufe und Abrechnungen auflisten, die Art der verkauften GegenstĂ€nde, monatliche UmsĂ€tze sowie ZuschĂŒsse und GebĂŒhren von Amazon und schlieĂlich die den HĂ€ndlern insgesamt gutgeschriebenen BetrĂ€ge.
Die Finanzrichter stuften das Sammelauskunftsersuchen vor allem deshalb als unzulÀssig ein, weil die HÀndlerdaten nicht in Deutschland liegen, sondern bei der Amazon-Konzernmutter in Luxemburg. Grund zur Entwarnung gibt das vorinstanzliche Urteil also nicht.
Schon jetzt kann jedes Finanzamt ohnehin Einzelauskunftsersuchen stellen, wenn ein HĂ€ndler der Steuerhinterziehung verdĂ€chtigt wird. Auch bei BetriebsprĂŒfungen gefundene HĂ€ndlerdaten nutzen FinanzĂ€mter fĂŒr Steuernachforderungen.
Sammelauskunftsersuchen kĂ€men indes fĂŒr die betroffenen Online-HĂ€ndler einer permanenten SteuerprĂŒfung gleich â und damit einer engmaschigeren Ăberwachung als sonst bei Gewerbetreibenden ĂŒblich.
Keine feste Transaktionsgrenze
"WĂŒrde der Bundesfinanzhof solche Sammelauskunftsersuchen gestatten, hĂ€tte jeder private Online-HĂ€ndler ein Problem, der nachhaltig und mit Gewinnerzielungsabsicht Waren ĂŒber das Internet verkauft", sagt Manfred Dehler, PrĂ€sident der Steuerberaterkammer NĂŒrnberg und Steuerberater in der Kanzlei Dehler & Pollozek in Coburg.
Betroffen seien alle, die mit einer gewissen RegelmĂ€Ăigkeit Handel trieben und private UmsĂ€tze fĂŒr sich behielten. "Wobei regelmĂ€Ăig bedeuten kann, mehrmals wöchentlich oder monatlich oder auch jĂ€hrlich", gibt Dehler zu bedenken.
Von der immer wieder von Experten genannten Grenze von 20 Transaktionen monatlich hÀlt Dehler nicht viel: "Es gibt keine feste Regel." Die Rechtsprechung sei alles andere als einheitlich.
Dass HĂ€ndler ausschlieĂlich privat angeschaffte GegenstĂ€nde verkauft hĂ€tten, zieht als Argument jedenfalls nicht. So sorgt ein Urteil des Landgerichts Berlin aus dem Jahr 2006 nach wie vor fĂŒr Schrecken unter Online-HĂ€ndlern.
Die Berliner Richter stuften eine Frau als gewerbliche HĂ€ndlerin ein, die binnen zwei Monaten 93 KleidungsstĂŒcke ihrer vier Kinder online zum Verkauf angeboten hatte (Az.: 103 O 75/06).
Umsatzsteuer nachfordern
Und wer statt der Kinderkleidung die Porzellansammlung verkauft hat und so noch ein wenig mehr an seinen vermeintlichen PrivatverkĂ€ufen verdient hat, fĂŒr den könnte es noch viel dicker kommen.
Das zeigt der Fall eines Ehepaars, das das Finanzgericht Baden-WĂŒrttemberg als gewerbliche HĂ€ndler eingestuft hatte, weil es innerhalb von etwa dreieinhalb Jahren bei Ebay mehr als 1200 GebrauchsgegenstĂ€nde verkauft hatte: vor allem alte Spielzeugpuppen, FĂŒllfederhalter und diverses Porzellan.
Das Ehepaar hatte mit seinen UmsĂ€tzen die Kleinunternehmergrenze von 17.500 Euro ĂŒberschritten. Daher hatte das Finanzamt auch noch Tausende Euro Umsatzsteuer nachgefordert.
Auch diesem Ehepaar half der Hinweis nicht, es habe ausschlieĂlich GegenstĂ€nde verkauft, die es zuvor selbst aus einer Sammlerleidenschaft und ohne Wiederverkaufsabsicht heraus ĂŒber einen langen Zeitraum hinweg angesammelt hatte, und habe dabei die VerkĂ€ufe stets als "privat" deklariert.
Die Ebay-Auktionen seien mit erheblicher IntensitĂ€t betrieben worden und hĂ€tten einen nicht unerheblichen Organisationsaufwand erfordert, hielten die Richter in ihrer UrteilsbegrĂŒndung dagegen.
Darauf, dass ihr Auftreten nicht dem eines klassischen gewerblichen HÀndlers entsprochen habe, komme es nicht entscheidend an, betonten sie (Az.: 1 K 3016/08). Wer sogar auf mehr als 24.500 Euro Umsatz jÀhrlich kommt, wÀre dazu noch gewerbesteuerpflichtig.
Mehrere Probleme fĂŒr HĂ€ndler
GĂ€be der BFH den Sammelauskunftsersuchen grĂŒnes Licht, hĂ€tte ein betroffener HĂ€ndler gleich mehrere Probleme. "Er muss nachweisen, dass seine TĂ€tigkeit doch eine rein private Liebhaberei ist â und nicht gewerblicher Handel", erklĂ€rt Dehler, "und er muss dazu wahrscheinlich noch dem Finanzamt nachweisen, dass dessen GewinnschĂ€tzung ĂŒberhöht ist."
Denn die Beamten dĂŒrften der Einfachheit halber die UmsĂ€tze als Gewinn einstufen. Wer also Geld mit seinen VerkĂ€ufen verdient hat, das er dem Finanzamt bisher verschwiegen hat, sollte einen Steuerberater um Rat bitten. Schon weil unter UmstĂ€nden eine Selbstanzeige ratsam ist, um straffrei auszugehen.
Berliner Morgenpost
9.4.2012